Antje Schneeweiß
Geschäftsführerin Arbeitskreis Kirchlicher Investoren in der evangelischen Kirche in Deutschland und Mitglied der EU-Platform on Sustainable Finance
Sie sprach mit Thomas Mog, Projektleiter der Net Zero Banking Alliance Germany.
Liebe Frau Schneeweiß, seit 1991 arbeiten Sie zum Thema nachhaltige Geldanlagen. Dieser Erfahrungsschatz ist eine Rarität! Was hat Sie damals bewegt, sich dieses Themas anzunehmen und wie kamen Sie in 2020 zur Platform on Sustainable Finance auf EU-Ebene?
Schneeweiß: Ursprünglich habe ich Philosophie studiert, wo es um Ethik und Werte ging. Mich hat die praktische Anwendung auf Ebene der Wirtschaft angesprochen. Für mich gab es dann Stationen bei zwei Vermögensverwaltern und bei dem Institut Südwind. Damals war das noch stark unter dem Oberbegriff ethische Investments zusammengefasst, wobei ich mich damals auch schon mit Green Bonds und Klimafragen auseinandergesetzt habe. 2020 bin ich dann zum Arbeitskreis Kirchlicher Investoren gekommen.
Als die Umwelttaxonomie 2019 und 2020 herauskam, war für mich klar, dass es ein soziales Pendant dazu braucht. Dazu habe ich ein Konzept entworfen und mich bei der EU Platform beworben. Dann wurde ich gefragt, ob ich auch die Berichterstattung für die Untergruppe „Soziale Taxonomie“ übernehmen möchte. Dort entstand dann der Vorschlag für eine grundlegende Struktur der sozialen Taxonomie, die im Februar dieses Jahres veröffentlicht wurde.
Sie sind Rapporteurin der Plattform Untergruppe 4 „Erweiterung der EU-Taxonomie auf soziale Ziele“. Was macht diese Aufgabe aus?
Schneeweiß: Die Gruppe hatte zwei von der EU-Kommission definierte Aufgaben. Zum einen sollte ein Bericht über die mögliche Struktur einer sozialen Taxonomie ausgearbeitet werden. Zum anderen sollten Umsetzungsvorschläge für die sozialen und Governance Mindeststandards der bestehenden Taxonomie Verordnung vorgestellt werden. Ich bin dafür verantwortlich, dass die Gruppe in Abstimmung mit der gesamten Plattform diese beiden Berichte erstellt. Der erste Bericht wurde im März 2022 der Öffentlichkeit vorgestellt, die öffentliche Konsultation für den zweiten Bericht lief bis zum 22.8. 2022.
Wie würden Sie die Ziele der Sozialen Taxonomie zusammenfassen?
Schneeweiß: Die drei Ziele der von uns vorgeschlagenen sozialen Taxonomie sind: 1. Decent Work, 2. angemessener Lebensstandard und Schutz der Endnutzer sowie 3. nachhaltige Gemeinschaften und Gesellschaften. Wenn eine wirtschaftliche Aktivität einen substanziellen Beitrag zu einem dieser drei Ziele leistet und den beiden anderen Zielen nicht schadet, dann kann sie sozial nachhaltig genannt werden. Werden Sozialwohnungen gebaut oder der Zugang zu medizinischen Produkten erleichtert, ohne dass dabei z. B. Arbeitsschutzrechte verletzt werden, dann ist das eine sozial nachhaltige Aktivität und Investitionen in diese Aktivität könnten entsprechend gekennzeichnet werden.
„Wenn eine wirtschaftliche Aktivität einen substanziellen Beitrag zu den Zielen leistet und den beiden anderen Zielen nicht schadet, dann kann sie sozial nachhaltig genannt werden.“
In welcher Beziehung stehen die Soziale Taxonomie und die Just Transition?
Schneeweiß: Mit „Just Transition“ wird die Veränderung zu einer Nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft beschrieben, die sich möglichst inklusiv für alle Teile der Gesellschaft entwickeln soll. Die von uns vorgeschlagene soziale Taxonomie kennzeichnet Aktivitäten, wie z. B. die Weiterbildung von Mitarbeiter:innen in Branchen, als sozial nachhaltig, die vom grünen Übergang betroffen sind und in Gefahr stehen, ihre Arbeit zu verlieren.
Soll die Soziale Taxonomie eher risikosenkend oder wirkungstreibend eingesetzt werden?
Schneeweiß: Von der Ausrichtung geht es klar darum eine Wirkungsverstärkung. Gleichzeitig ist das Risikosenkende besonders für die Gesellschaft als Ganzes natürlich automatisch mit dabei. Es sind letztlich zwei Seiten einer Münze.
Welche Potenziale sehen Sie für die Anwendung der Sozialen Taxonomie im Bereich nachhaltiger Finanzierung?
Schneeweiß: Zunächst geht es darum aufzuzeigen, welche wirtschaftlichen Aktivitäten und Vorhaben aus sozialer Perspektive besonders wünschenswert sind. Dazu gehören zum Beispiel Aktivitäten, die den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen oder zu Wohnraum verbessern oder den Zugang zu Wohnraum.
Nach vorne gedacht ergibt sich dadurch Visibilität dieser Aktivitäten für nachhaltige Investoren. Diese positive Sichtbarkeit für Akteur:innen sollte nicht unterschätzt werden. Soziale Investitionen werde immer stärker von Investorenseite nachgefragt.
Wie geht es weiter?
Schneeweiß: Wir sehen im Moment ja sehr viele neue Regulierungen der EU zum Thema Nachhaltigkeit und nachhaltige Investitionen, die Unternehmen und Finanzmarktteilnehmer umsetzen müssen. Das ist wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt, um ein weiteres komplexes Vorhaben wie eine Sozialtaxonomie zusätzlich umzusetzen. Dafür habe ich Verständnis und warte den Bericht der EU-Kommission Ende des Jahres ab, in dem sie den weiteren Umgang mit diesem Thema beschreiben wird.
Mog: Vielen Dank für die Einblicke rund um die Ziele und Zusammenhänge der Sozialen Taxonomie, Frau Schneeweiß!