Vanessa Bolmer

Projektleiterin Pathways to Paris, WWF Deutschland

Das Gespräch hat Jasminka Enderle geführt, Senior Sustainable Finance Expert, Green and Sustainable Finance Cluster Germany e.V..

In den vergangenen zwei Jahren haben WWF und PwC in dem vom BMWK-geförderten Projekt „Pathways to Paris“ die Transformation in eine treibhausgasneutrale Wirtschaft an der Nahtstelle Real- und Finanzwirtschaft konkretisiert. Kernstück des Projektes war der Wissensaustausch über sektorspezifische Kernmaßnahmen, ihrer Chancen und Grenzen, zwischen rund 90 Unternehmen und Finanzakteuren. Sie teilten im Projektverlauf wichtige Praxiserfahrungen zu Maßnahmenhebeln, Technologieverfügbarkeiten und Rahmenbedingungen. Das Ergebnis sind drei Instrumente, die Unternehmen und Finanzakteure künftig unterstützen:

  1. Webbasiertes Transformationstool: Mit diesem können Unternehmen aus den abgedeckten zehn Sektoren ihre Pläne zur Emissionsreduktion konkretisieren. (Veröffentlicht im Mai 2022)
  2. Matrix zur Bewertung der Transformationsperformance: Sie unterstützt Finanzinstitute bei der Einordnung gewählter Maßnahmen und dem Fortschritt eines Unternehmens. (September 2022)
  3. Orientierungsrahmen für Engagement: Sie ermöglichen Finanzinstituten, den Weg eines Unternehmens konstruktiv zu begleiten und setzen ihn in sektoralen Kontext. (September 2022).

Seit fast zwei Jahren bist Du die Projektleiterin von Pathways to Paris, eines Projekts zur Gestaltung von Paris-kompatiblen sektoralen Dekarbonisierungspfaden. Wie bist Du zu dieser Rolle gekommen und wo warst Du vor dieser Aufgabe?

Vanessa Bolmer: Ursprünglich bin ich Geisteswissenschaftlerin und Journalistin, habe dann meine Leidenschaft für Finanzthemen entdeckt. Zehn Jahre habe ich in einer Bank gearbeitet, mit dem Fokus auf Nachhaltige Investments.

Dann bin ich auf das Projekt gestoßen. Wenn wir die Transformation erfolgreich umsetzen möchten, müssen wir Silos aufbrechen, voran gehen, ohne schon alle Antworten zu kennen. Das hat mich gereizt. Das Schöne am Projekt ist, dass wir mit den Unternehmen aus klimarelevanten Sektoren arbeiten und nicht gegen sie. Wir erleben, wie Einzelne den Spagat zwischen Sicherheit und Ausprobieren wagen.

Pathways to Paris hat ein Tool entwickelt, dass es Unternehmen in zehn Sektoren ermöglicht, die Einsparpotenziale und Kosten verschiedener Kernmaßnahmen und Investitionen auf dem Weg zu Klimaneutralität zu vergleichen und in eine zeitliche Abfolge zu bringen. Wie wurde das Tool bisher vom Markt angenommen?

Bolmer: Bisher gibt es vorwiegend positive Resonanz, wenn wir das Tool oder die Indikatorik im Markt vorstellen. „Fragmentiertes Halbwissen in eine Struktur bringen“ – war ein Kommentar, der es ganz gut zusammenfasst. Jetzt hoffen wir, dass beides möglichst vielen die Scheu nimmt, sich auf den Weg zu machen.

Welche Vorgehensweise wurde bei Pathways to Paris gewählt, um relevante Klima-KPI’s für die einzelnen Sektoren zu erarbeiten?

Bolmer: Zuerst haben verschiedene Dekarbonisierungsszenarien geprüft: Passt das Ambitionsniveau? Welche Sektorgrenzen werden genutzt? Lässt es sich auf den deutschen Raum herunterbrechen?
Als das Geeignetste haben wir das „Klimaneutrales Deutschland 2045“ von Agora Energiewende angesehen. Auf dieser Basis haben wir die Anforderungen an die Transformation und mögliche Pfade der Sektoren mit den Unternehmen, aber auch mit Kolleg:innen von Agora und dem Umweltbundesamt diskutiert und daraus die einzelnen Kernmaßahmen abgeleitet.

Erst danach haben wir die Handlungsfelder definiert und festgelegt, mit welchen Kennziffern eine Aussage getroffen werden kann, wo und auf welchem Pfad sich ein Unternehmen befindet.
Das wurde zwischendurch sehr technisch. Immer wieder ins Sparring mit Unternehmen und Finanzinstituten zu gehen war uns wichtig, damit die Ergebnisse die notwendige Nähe zur Praxis aufweisen.

Kann das Tool als eine Art „Transitionsplan-Erstellungshilfe“ gesehen werden?

Bolmer: Absolut. In der aktuellen Unsicherheit sind unsere Instrumente eine leichte Einstiegsmöglichkeit zu dem Thema Transformation. Welche Optionen habe ich? Welche Fragen kann oder muss ich stellen? Wie kann ich diesen Weg begleiten?
Wir liefern eine Indikation für mögliche Wege, um zu zeigen, welche Maßnahme welchen Effekt hat.

Welche Rolle nimmt die EU Taxonomie in den Ergebnissen ein?

Bolmer: Wir wollen zusätzliche Arbeit vermeiden und prüfen im Moment, mit welchen Frameworks unsere Indikatorik kompatibel ist. Mit Blick auf die Taskforce on Climate related Financial Disclosures (TCFD) sieht es schon gut aus.

Der Abgleich mit den Berichtsanforderungen der EU Taxonomie, des International Sustainability Standard Boards (ISSB) , der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der EBA (Annex I) läuft noch.

Welche Entwicklungsschritte stehen bei Pathways to Paris noch an?

Bolmer: Im Moment arbeiten wir intensiv an den zwei Projektergebnissen, die sich hauptsächlich an die Finanzwirtschaft richten: Es wird im September eine Matrix mit Kennziffern für die Bewertung der Transformationsperformance von Unternehmen geben und eine Guidance für Engagementprozesse.
Jetzt im Sommer veröffentlichen wir eine Studie zur Klimazielsetzung in Unternehmen. Wir wollten verstehen, aus welchen Gründen sich Unternehmen Klimaziele setzen oder eben nicht.
Weiterhin werden wir eine Übersicht zu Rahmenwerken und Methoden rund um Klimasetzung publizieren, die als Orientierungshilfe in der Vielzahl an Möglichkeiten dienen soll. Ein How-To-Guide soll Unternehmen helfen, wie sie vom Tool zu einem wissenschaftsbasiertem Klimaziel und in die konkrete Umsetzung kommen.

Enderle: Vielen Dank Vanessa für das schöne Gespräch. Wir freuen uns weiterhin auf die Zusammenarbeit zwischen dem WWF und dem Cluster.