Es ist Zeit für ein umfassenderes Relationship Banking!

Interview mit Jasminka Enderle

Jasminka, du arbeitest seit April am Projekt „Client-Dialogue-Tool“. Warum entwickelt die NZBAG solch eine Hilfestellung?

Enderle: Ziel der Net-Zero Banking Alliance Germany ist es, eine standardisierte Messung und Steuerung der Klimaauswirkungen von Kreditportfolios im Einklang mit den Pariser Klimazielen zu ermöglichen. Dazu werden Methoden, Mindestanforderungen und Rahmenwerke auf strategischer und operativer Ebene entwickelt und erprobt. Die Allianz legt einen Schwerpunkt auf marktnahe Aktivitäten, da diese die Klimatransformation in der Realwirtschaft fördern können und für Banken erhebliche Geschäftsopportunitäten darstellen.

Marktnähe heißt, dass jede:r MitarbeiterIn im Kundenkontakt weiß, welche Nachhaltigkeitsthemen er oder sie beim jeweiligen (Firmen-)Kunden ansprechen sollte. Banken müssen als Risikomanager sowohl die Nachhaltigkeitsrisiken ihrer Kunden kennen als auch deren Auswirkungen auf die Umwelt. Das wird auch als doppelte Materialität bezeichnet.

Wir haben uns in der NZBAG zum Ziel gesetzt, jede:n einzelne:n MitarbeiterIn im Firmenkundenbereich zu befähigen, mit Kunden über das Thema Nachhaltigkeit zu sprechen. Dafür ist das Client-Dialogue-Tool da. Denn mit seiner Hilfe können die Daten, die die Banken in der Portfoliosteuerung brauchen, direkt erhoben werden. Über die Zeit könnte dadurch auch die bestehende Datenlücke geschlossen werden. Wir wollen mit dem Tool einen systematischen Ansatz unterstützen, der Banken erlaubt, ihre Kunden ganz aktiv und nach vorne gerichtet in der Transition zu begleiten.

Was genau ist das Client-Dialogue-Tool? Welche Fragen werden dort gestellt?

Enderle: Das Tool richtet sich an FirmenkundenbetreuerInnen. Es umfasst momentan über 70 Fragen zu den Bereichen Klima, Umwelt, Soziales und Governance des Kunden, von denen natürlich nicht alle gestellt werden müssen, je nach Präferenz und Erfahrung der Kreditinstitute. Das Tool enthält auch KPIs und Zeitscheiben sowie Beispiele, wie Kundenantworten in den Sektoren Energie und Residential Real Estate aussehen können.

Beispielhaft wird gezeigt, wie die Ergebnisse von Kundengesprächen bewertet werden können. Dabei helfen eingebaute Vergleichswerte, damit Kunde und Bank wissen, wie die Kundenambitionen im Hinblick auf Ihre Kompatibilität mit 1,5 Grad maximaler Temperaturerhöhung zu bewerten sind.

Besonders wichtig ist es, Kunden nach einem „Transitionsplan“ oder einer Nachhaltigkeitsstrategie zu fragen. Das ist ja heute insbesondere bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen noch keine im Tagesgeschäft gelebte Praxis. Aber da müssen wir hin. Banken werden ihre Finanzierungs-Entscheidungen neben den aktuellen Finanzdaten zunehmend mit belastbaren Transitionsplänen unterlegt sehen wollen.

Was sind die Herausforderungen, um den Dialog in den Banken zu implementieren?

Enderle: Firmenkundenbanking ist Relationship-Banking. Es ist eine über die Jahre gewachsene Beziehung, die auf Zuverlässigkeit und Verständnis baut und so eine Vertrauensbasis geschaffen hat. Die Mitarbeiter wollen diese Beziehung nicht gefährden, indem sie Fragen stellen, die sie selbst nicht verstehen oder beantworten können. Deswegen sind aus meiner Sicht folgende drei Dinge wichtig: Schulungen und Skillsaufbau, gute Governance und eine Trial-and-Error-Kultur, um eine Struktur für ein förderliches Umfeld zu schaffen.

Wir kommen deshalb nicht um Schulungen aller Vertriebsmitarbeiter herum. Wir reden hier von einem skalierten Mehrjahresprozess, der über den bisherigen Trainingsansatz hinausgeht.

„Wir haben uns in der NZBAG zum Ziel gesetzt, jede:n einzelne:n MitarbeiterIn im Firmenkundenbereich zu befähigen, mit Kunden über das Thema Nachhaltigkeit zu sprechen.“

Wann können wir mit den ersten Projektergebnissen rechnen?

Enderle: Wir wollen das Client-Dialogue-Tool zunächst in einem Piloten mit den Banken und Kunden testen, um die Praxistauglichkeit der Fragen zu überprüfen. Ich freue mich auch schon sehr darauf, das Client-Dialogue-Tool voraussichtlich im November 2022 vorzustellen. Erste Einblicke werden wir im Rahmen des Sustainable Finance Gipfel Deutschland am 14. Oktober 2022 in Frankfurt geben.